Simon schaut “Thor: Ragnarok” (2017; Thor: Tag der Entscheidung)

Thor: Ragnarok ist unterhaltsam, ziemlich bunt und liefert coole Action in schicken Bildern. Tessa Thompson als Walküre spielt besonders stark, der Gladiatorenkampf zwischen Hulk und Thor ist fesselnd. Leider bietet der Film darüber hinaus wenig, denn die Emotionen ersticken unter komödiantischen Einlagen.

Simons Highlights

  • Scene Stealer Tessa Thompson als Walküre
  • Thor, Gott des Donners – mit neuem Haarschnitt!
  • der Gladiatorenkampf
  • das Brüderduo Thor (Chris Hemsworth)/Loki (Tom Hiddleston) funktioniert immer

Worum es geht

Thor kommt Loki auf die Schliche! Thors hinterhältiger Bruder Loki hat Odin auf die Erde verbannt und sich selbst als Odin ausgegeben. Als Thor und Loki schließlich ihren Vater finden, wird die Todesgöttin Hela entfesselt, die sich als rechtmäßige Herrscherin Asgards sieht. In einem ersten kurzen Duell unterliegt Thor Hela und landet auf dem Müllplaneten Sakaar, wo er als Gladiator gegen den Champion des Grandmasters antreten soll. Dieser Champion entpuppt sich als grüner Bekannter…

Simons Kritik

Thor hat sich ein gutes Jahr für seine Rückkehr ins Rampenlicht ausgesucht! 2017 mausert sich zum Jahr der Superheldenfilme. Spider-Man: Homecoming? Großartig! Wonder Woman? DC endlich auf der Spur – zumindest kurzzeitig… Logan? Guardians of the Galaxy Vol. 2? Jetzt Thor: Ragnarok? Ich nehme es vorweg: Keine der genannten Comicbuchverfilmung war wirklich schlecht, auch Thors dritter Soloauftritt nicht. Thor: Ragnarok entfesselt ein buntes, Blitze schießendes Gewitter auf der Leinwand und macht als Actionkomödie Spaß, ist aber nicht göttlich wie der namensgebende Protagonist.

Bevor ich weiterschreibe und meine subjektiven Gründe darlege, warum der dritte Thor zwar in Ordnung, aber nicht sehr gut ist, möchte ich eines zu Bedenken geben. Vielleicht hast auch Du dich schon gefragt, warum ich über Thor: Ragnarok schreibe und nicht über Thor: Tag der Entscheidung, wie der Film offiziell in Deutschland heißt. Der Titelzusatz „Tag der Entscheidung“ ist so generisch, er passt vermutlich auf jeden zweiten Superheldenfilm! Der Originaltitel Ragnarok ist einzigartig und so viel aussagekräftiger, weshalb ich lieber bei diesem verbleibe.

In diesem Fall ist das für mich besonders brisant, weil ich vermute, dass mir Thor: Ragnarok in der Originalversion – also auf Englisch – etwas besser gefallen hätte. In diesem Marvelfilm beschießen uns die Figuren nämlich mit mehr lustigen Einzeilern als Hela Dolche heraufbeschwören kann. Leider funktioniert die wörtliche Übersetzung ins Deutsche an einigen Stellen nicht.

Ich will meine Probleme mit dem Humor im Film aber nicht ausschließlich auf die deutsche Übersetzung schieben. Insbesondere eine (ziemlich steinige) Figur fand ich ausschließlich albern – ich hätte sie komplett rausgeschrieben. Die Kombinationen aus Thor und seinem Buddy Hulk oder Bruder Loki sorgen für genug lustige Momente und gute Sprüche, nicht zu vergessen der kurze, aber eindrucksvolle Auftritt eines weiteren, strangen Marvelhelden. Das begleitende Ensemble hätte besser daran getan, in Bezug auf ihr Witzerepertoire auf Qualität statt Quantität zu setzen – ja, auch du Hela!

Apropos Hela. Gespielt wird die Göttin des Todes von der einmaligen Cate Blanchett, einer meiner Lieblingsschauspielerinnen. Leider haben wir es einmal mehr mit einer recht einseitig bösen Gegenspielerin zu tun. Auch zwei Oscars helfen nicht, wenn die Substanz auf dem Papier fehlt. Nichtsdestotrotz ist Hela an sich eine spannende Figur mit actionreichen Szenen, die hoffentlich das eine oder andere Halloween-Kostüm inspiriert hat.

An Frauenpower fehlt es dem Film nicht. Vor wenigen Wochen hätte ich noch auf Blanchett als Powerhouse des Films gesetzt. Es ist am Ende jedoch eine andere, die eine Szene nach der anderen stiehlt: Tessa Thompson als Walküre, ehemalige Kriegerin Asgards, deren Eliteregiment von Hela ausgelöscht wurde. Als letzte der Walküren zog sie sich zurück, nachdem sie alle ihre Mitkämpferinnen und ihren Pegasus (Pegasus, ihr habt richtig gelesen!) an die Göttin des Todes verloren hatte, und ertränkte ihren Kummer fortan in Alkohol. Thompson steht zu keinem Zeitpunkt im Schatten von Hemsworths Thor oder Mark Ruffalos Hulk, sondern findet ihren Platz. Ihre besten Momente hat sie in der Interaktion mit Thor – eine erfrischende Abwechslung zu dem etwas zu rosa geratenen Verhältnis zwischen Thor und Nathalie Portmans Jane aus vergangenen Filmen.

Auch wenn Thor selbst im Zentrum einer Geschichte steht, die große Auswirkungen auf das Land Asgard im Marvel Cinematic Universe hat, fehlt mir eine Entwicklung der Figur. Thor wird von einer fremdbestimmten Situation in die nächste geworfen, sei es von Odin (dessen Szenen mich komplett kalt gelassen haben) oder dem unglaublich komischen (aber so guten) Jeff Goldblum als Grandmaster – Thor hat die ganze Zeit nur ein Ziel, nämlich die böse Hela aufzuhalten. Physische Veränderungen Thors – so gut ihm der neue Haarschnitt auch steht – binden uns nicht an seine Figur. Kurzum: Mir haben hier Emotionen und Charakter gefehlt. Thor: Ragnarok ist zwar ein Gagfeuerwerk (zumindest für die meisten, wenn man dem Internet trauen darf), aber sehr viel steckt nicht dahinter.

Dabei wäre ein gesellschaftskritisches Thema da gewesen, hätte man es nicht unter schlechten Witzen begraben: der Umgang mit der eigenen Geschichte. Odin wie auch Loki versuchen, die Vergangenheit umzuschreiben, während Hela alte Wunden aufreißt und so Thor ins Grübeln bringen sollte. So weit geht der Film leider nicht. Thor trifft am Ende eine folgenschwere Entscheidung im Bruchteil weniger Sekunden. Eine dramatischere Inszenierung hätte diesem Moment gutgetan, aber leider nicht zum albernen Ton des Films gepasst.

Wollte Marvel einen weiteren Film im Stil der Guardians-Reihe? Mit der Musik versucht Regisseur Taika Waititi mit Komponist Mark Mothersbaugh neue Wege zu beschreiten: Der Retro-Elektrosound passt zu Sakaar und hätte für meinen Geschmack noch offensiver eingesetzt werden dürfen. Erwähnenswert sind auf jeden Fall die großartigen Bilder und Einstellungen einzelner Szenen, beispielsweise die Vernichtung des Walkürenregiments durch Hela und der Gladiatorenkampf zwischen Thor und Hulk. Die Handlung an sich schließt am Ende rund ab und hat die eine oder andere kleine Überraschung parat.

Thor: Ragnarok ist auf jeden Fall anders als seine zwei Vorgänger, dafür hat Waititi gesorgt. Ich hätte mir die Ernsthaftigkeit aus dem ersten Thor (2011) mit den bunten Farben und spannenden Settings aus Ragnarok gewünscht. Die besten Superheldenfilme sind die, die uns mitfühlen lassen. Gerade in dem ersten Guardians of the Galaxy (2014) ist es James Gunn gelungen, dass trotz unzähliger Effekte und außerirdischer Szenen die Emotionen überspringen und wir unsere Herzen an die Guardians verlieren. Da konnte Waititi in seinem ersten Marvelfilm nicht mithalten.

Am Ende hatte ich mit Thor: Ragnarok zwar eine gute, größtenteils lustige Zeit, aber langfristig wird mir wohl nicht viel vom Film bleiben. Außer natürlich Thor mit neuem Haarschnitt. Auf einem knallbunten Poster. An der Wand. Bitte danke!

4.5 von 7 Falken

Simon

Redakteur Moviefalcon.de, Film-, Kino-, Oscarenthusiast! Wenn nicht gerade unterwegs in einer weit entfernten Galaxis, dann sicherlich mit Mad Max auf der Fury Road oder zu Besuch im Grand Budapest Hotel.

4 Gedanken zu „Simon schaut “Thor: Ragnarok” (2017; Thor: Tag der Entscheidung)“

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