2018 war ein weiteres großartiges Jahr in der Filmwelt – wer anderes behauptet, hat nicht genug Filme gesehen. Hierbei kann ich vielleicht helfen. Noch nie habe ich aus einem Jahr so viele Filme geschaut, und noch nie so viele gute und sehr gute. Ich präsentiere euch meine Top 7 aus 2018… und eine lange Liste “Honorable Mentions”!
Was für ein Glück, dass wir uns intern auf eine Top 7 einigen konnten – so wurden mir immerhin zwei Plätze mehr zugesprochen als in den vergangenen paar Jahren (bisher veröffentlichten wir immer eine Top 5). Ich hätte aber auch ohne Probleme eine Top 25 zusammenbekommen… wer weiß, vielleicht ein anderes Mal.
Bevor ich loslege eine kurze Erinnerung: Ein Lieblingsfilm muss nicht zwangsläufig ein Film sein, den man besonders gut bewertet hat. Manche Filme liebt man auf Anhieb, auch wenn es ein paar Dinge zu beanstanden gibt. In diesem Jahr sind jedoch die Filme, die ich am besten bewertet habe, auch ganz oben auf meiner Liste.
Immerhin hat mir niemand eine Begrenzung für meine “Honorable Mentions” vorgeschrieben, weshalb ich diese Rubrik zunächst ordentlich füllen werde.
Simons “Honorable Mentions”:
In 2018 hatte ich Zugriff auf eine große Auswahl an Independent Filmen, also Filme mit kleinen Budgets. Viele davon kommen später in der echten Top 7, aber einige erhalten nun ihre kurze Erwähnung. Leave No Trace (6,5), First Reformed (6,0) und Can You Ever Forgive Me? (6,0) sind einzigartige Filme mit wichtigen Geschichten abseits des Mainstreams, die mehr Menschen sehen müssen.
Viele Dokumentationen waren an den Kinokassen in Amerika im Jahr 2018 äußerst erfolgreich, auch Won’t You Be My Neighbor? (6,5) über American-Treasure Fred Rogers. Meine Mum und ich saßen wie gebannt auf dem Sofa, mit Tränen in den Augen von so viel Menschlichkeit und Empathie. Wer in diesen Zeiten den Glauben an die Menschheit verloren hat: Diese Doku überzeugt vom Gegenteil.
Ein etwas pelzigerer Engel ist in Paddington 2 (6,5) unterwegs. Der kleine Bär verbreitet ein weiteres Mal gute Laune und Fröhlichkeit, was wir in 2018 dringend nötig hatten. Paddington 2 ist ein echter Knaller und sollte nicht unterschätzt werden. Ein weiterer sehr schöner Film, der mich mit einem breiten Lächeln zurückgelassen hat: Love, Simon (6,0), der erste romantische Studiofilm mit einem schwulen Teenager im Zentrum. Großartig!
Vielfalt hat auch bei Marvel Einzug gehalten. Black Panther (6,5) ist der erste Superheldenfilm im MCU mit einem größtenteils schwarzen Cast. Drei Oscars sprechen für sich, Black Panther ist auch für mich einer der besten MCU-Filme bisher. International noch erfolgreicher war Marvel mit Avengers: Infinity War (6,5), den ich drei Mal im Kino gesehen habe – mehr als jeden anderen Film in 2018 – und der die Popkultur schon jetzt bedeutend geprägt hat.
Zwei Genre-Filme, die ich herausheben möchte, sind Annihilation (Auslöschung; 6,0) und A Quiet Place (6,5). Beide mischen Horror mit Thriller und Fantasy/Sci-Fi in einer mir erträglichen Dosis. A Quiet Place sah ich das erste Mal mit unserer Vera, wir sind bis heute schwer beeindruckt von der Kompaktheit und dem einfachen, effizienten Worldbuilding des Films.
Ganz knapp an meiner Top 7 2018 gescheitert sind First Man (Aufbruch zum Mond; 6,5) und A Star is Born (6,5). Es war eine sehr schwere Entscheidung, insbesondere bei First Man, da der Film meiner Meinung nach viel mehr Aufmerksamkeit verdient hätte, als er letztendlich bekam. A Star is Born war ebenfalls hervorragend, Lady Gaga und Bradley Cooper rundeten ihr Jahr mit einem grandiosen Auftritt bei den Oscars (vielleicht dem besten Live-Auftritt bei der Show überhaupt?) ab.
Welche Filme sind noch übrig und machen die Top 7 unter sich aus? Wie immer bitte ich an dieser Stelle um einen Trommelwirbel. Mein Platz 7 geht an…
Platz 7: Minding the Gap (6,5)
In einem Jahr, in dem Dokumentationen große Publikumserfolge feierten (bereits erwähnte Won’t You Be My Neighbor? spielte fast $23 Millionen in den USA ein, Oscar-Sieger Free Solo über $17 Millionen, RBG über $14 Millionen und Three Identical Strangers über $12 Millionen), nehme ich erstmalig eine Doku in meine Lieblingsfilmliste auf. Minding the Gap erzählt von drei befreundeten Männern, die in Illinois aufwachsen und durchs Skateboardfahren miteinander verbunden sind. Einer dieser Männer ist Regisseur Bing Liu selbst. Seine sehr persönliche Doku wurde für den Oscar und den Film Independent Spirit Award nominiert.
Ich frage mich, ab welchem Zeitpunkt Bing Liu selbst wusste, worauf es in seiner ersten Dokumentation hinauslaufen würde. Je weniger man über den Inhalt von Minding the Gap weiß, desto besser, nur so viel: Der Film hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Liu bringt verschiedene Erlebnisse seiner Freunde und seiner Familie zusammen und erzählt uns so von einem gesellschaftlichen Problem, das überall lauert, über das wir aber zu wenig reden.
Platz 6: Support the Girls (6,5)
Rückblickend schaffen es tatsächlich selten Komödien in meine Lieblingsfilmlisten, in diesem Jahr aber schon! Support the Girls gilt offiziell als Komödie, hat aber ihren tragischen Anteil, keine Sorge. Wir folgen Regina Hall als Lisa durch ihren Alltag als Managerin einer Sportbar, ein Einbruch und der rassistische Inhaber machen ihr den Tag schwer. Das “Double Whammies” ist ein “Breastaurant”, in dem hübsche, (für amerikanische Verhältnisse) leicht bekleidete junge Frauen Bestellungen aufnehmen und servieren. Lisa nimmt ihren Job unheimlich ernst, ihre Priorität ist der Schutz der Mädchen, weshalb sie eine strikte Null-Toleranz-Politik betreibt und Gäste notfalls rauswirft.
Support the Girls hat mich mit seinem Detailreichtum trotz eines vermutlich minimalen Produktionsbudgets so sehr begeistert, dass ich ihn bereits zwei Mal gesehen habe. Regina Hall ist fantastisch. Lisa ist eine vielschichtige Rolle, die Hall mit unendlich viel Herz spielt. Auch Haley Lu Richardson als aufgedrehte Maci und Shayna McHayle als gelangweilte Danyelle machen ihre Sache hervorragend. Support the Girls behandelt wichtige Themen mit Humor und Charme, anschließend würde man am liebsten selbst zum Double Whammies aufbrechen und mit Lisa und ihrer Crew ein paar Drinks nehmen!
Platz 5: Shoplifters (6,5)
Ausnahmsweise macht ein deutscher Untertitel zu einem ausländischen Film Sinn: Shoplifters – Familienbande ist ein japanischer Film des Regisseurs Hirokazu Koreeda und gewann die Goldene Palme bei den Filmfestspielen in Cannes. In ihm geht es um eine arme Patchworkfamilie, die irgendwo in Tokio in einem sehr kleinen Appartement lebt und stiehlt, um über die Runden zu kommen. Im Winter finden Vater Osamu (Lily Franky) und Sohn Shota (Jyo Kairi) die kleine Yuri (Miyu Sasaki) ausgesperrt auf einem Balkon und nehmen sie mit. Yuri wird das sechste Familienmitglied und erfährt zum ersten Mal wie es sich anfühlt, eine Familie zu haben.
Was ist eigentlich eine Familie? Was bedeutet es, Eltern-, Großelternteil oder Geschwisterkind zu sein? Diese und ähnliche Fragen gingen mir durch den Kopf, als ich den Kinosaal verließ. Koreeda gibt uns keine einfachen Antworten. Stattdessen malt er uns das Porträt einer außergewöhnlichen Familie, für die man nichts als Sympathie empfinden kann. Noch nicht erwähnt habe ich Sakura Ando, sie spielt Mutter Nobuyo, das Herz des Films – in regelmäßigen Abständen brach sie meines und setzte es wieder zusammen. Shoplifters ist ein wunderschöner Film über Familienbande, den dringend mehr Menschen sehen müssen.
Platz 4: You Were Never Really Here (6,5)
Der unter dem Titel A Beautiful Day in Deutschland vermarktete Film von Regisseurin Lynne Ramsay erzählt von Kriegsveteran Joe (Joaquin Phoenix), einem Auftragsschläger, der junge Mädchen befreit und mit einem Hammer bewaffnet Kinderschänder umbringt. Bei einem Typen wie Joe wechselt man lieber die Straßenseite. Je mehr wir jedoch über ihn erfahren, desto besser verstehen wir ihn. Ramsay und Phoenix konterkarieren Joes raues Äußeres mit seiner Introvertiertheit und seiner Funktion als Hüter und Beschützer: ein Schaf im Wolfspelz. Eine meiner Lieblingsszenen des Jahres involviert Joe und eine andere Figur, wie sie sich an den Händen halten. Ihr werdet wissen, was ich meine.
Ramsays Film einem Genre zuzuordnen ist schwierig, Arthouse-Thriller trifft es meiner Ansicht nach sehr gut. Ramsay hat eine klare Vision: Wenig Gewalt findet direkt auf dem Bildschirm statt, und trotzdem möchte man an vielen Stellen wegschauen, hat Angst vor der Brutalität, die Joes Welt durchzieht. You Were Never Really Here ist ein viszerales Erlebnis, das mich von Anfang bis Ende gepackt hat.
Ausschnitte aus meinem Artikel zu den besten Independent-Filmen des Jahres 2018.
Platz 3: Eighth Grade (6,5)
In Bo Burnhams Erstlingswerk Eighth Grade begleiten wir Kayla (großartig gespielt von Elsie Fisher) durch die letzte Woche der achten Klasse. Die sozialängstliche Kayla hat es schwer, Freunde zu finden, ist ständig in sozialen Netzwerken unterwegs und vergleicht sich zu viel mit ihren Mitschüler*innen. Ihr Vater (Josh Hamilton in einer herzerwärmenden Nebenrolle) nervt sie tierisch. Alles wird noch viel schlimmer, als sie von ihrem Jahrgang mit dem “Most Quiet”-Award (Preis für die leiseste Schülerin) ausgezeichnet und zu einer Pool-Party eingeladen wird.
Regisseur Bo Burnham, der auch das Drehbuch geschrieben hat, erzählt Kaylas Geschichte mit viel Feingefühl. Er bringt sie gekonnt in Situationen, in denen wir uns ohne größere Probleme in ihr Unbehagen hineinversetzen können und peinlich berührt sind. Trotzdem hatte ich ein Dauergrinsen auf dem Gesicht. Wir alle machen manchmal schwere Zeiten durch, sind nicht zufrieden mit uns, aber das definiert nicht, wer wir sind. Eighth Grade hat mich abgeholt und meine Emotionen zehn Jahre zurückgeworfen. Thanks… I guess?!
Ausschnitte aus meinem Artikel zu den besten Independent-Filmen des Jahres 2018.
Platz 2: Roma (7,0)
Das erste Mal habe ich mit Shoplifters und Roma gleich zwei nicht englisch- oder deutschsprachige Filme auf meiner Lieblingsfilmliste. Nach Harry Potter und der Gefangene von Askaban (2004), Children of Men (2006) und Gravity (2013) ist Roma außerdem der bereits vierte Film von Alfonso Cuarón, der von mir die Maximalpunktzahl erhält. So langsam sollte ich ihn als meinen Lieblingsregisseur bezeichnen! In dem an Cuaróns Kindheitserlebnisse angelehnten Schwarzweißfilm geht es um Cleos (Yalitza Aparicio) Erlebnisse als Kindermädchen und Haushälterin einer Mittelstandsfamilie in Mexiko-Stadt in den 70er Jahren.
Cuarón lässt sich Zeit; Er lässt uns zunächst ausgiebig am Leben der Familie und Cleos Arbeit teilhaben, bevor die Handlung anzieht. Er schafft es, uns in diesem ersten Teil eng an die Familie zu binden, insbesondere an Cleo und die Kindern Pepe, Sofi, Toño und Paco, was die emotionale Wucht späterer Szenen vervielfacht. Dabei ist Roma aus technischer und künstlerischer Sicht perfekt und wartet mit einer unglaublichen Bildschärfe, den für Cuarón typischen, langen Kamerafahrten und beeindruckenden Szenenbildern der lebendigen Stadt auf. Roma ist ein weiteres Meisterwerk des mexikanischen Regisseurs und wurde verdient mit drei Oscars ausgezeichnet!
Platz 1: The Favourite (7,0)
Yorgos Lanthimos ist kein Zauberspruch aus Harry Potter (right, Aubrey?), sondern der Name eines Regisseurs, dessen Film The Favourite von Queen Anne (Olivia Colman) von Großbritannien erzählt, die Anfang des 18. Jahrhunderts herrscht. Aus verschiedenen Gründen führt jedoch die Herzogin von Marlborough, Sarah Churchill (Rachel Weisz), viele Pflichten der Königin aus. Sarah hat eine Affäre mit der Königin und nutzt ihre Stellung für eigene Spielchen, bis Sarahs Cousine Abigail (Emma Stone) auftaucht und ein Machtkampf um die Gunst von Queen Anne beginnt.
Bissige, komische, zynische, seltener auch sehr liebevolle Dialoge machen es uns schwer vorherzusagen, was wohl als nächstes passieren mag. The Favourite ist der perfekte Einstieg in die skurrile Filmographie von Lanthimos, eine Augenweide, insbesondere dank origineller Kameraarbeit, opulenter Szenenbilder und Kostüme, und eine Meisterklasse in Schauspielerei. Eigentlich kann man die Leistung von Olivia Colman, Emma Stone und Rachel Weisz nicht voneinander trennen, sie alle liefern einzigartige, ebenbürtige Performances. Colmans Sieg bei den Oscars war wohlverdient. The Favourite ist wie aus einem Guss geformt und mein Lieblingsfilm des vergangenen Jahres.
Zusammenfassung meines Reviews, die vollständige Kritik findest Du hier.
Ich hoffe, ich konnte Dir die eine oder andere Filmempfehlung mit auf den Weg geben! Das Jahr 2018 war ein hervorragendes Filmjahr, aber nun geht es schon wieder weiter: Den einen oder anderen Anwärter für meine Lieblingsfilmliste 2019 habe ich schon auf dem Zettel…
Ein Gedanke zu „Simons Lieblingsfilme 2018“