Simon schaut “Hacksaw Ridge” (2016)

Brutaler, realistischer Kriegsfilm, der unter die Haut geht. Basierend auf einer wahren Begebenheit. Regisseur Mel Gibson und Hauptdarsteller Andrew Garfield beweisen, was in ihnen steckt. Trotz der aufwühlenden Bilder habe ich das Kino hoffnungsvoll verlassen. Beeindruckend.

Simons Highlights

  • Andrew Garfields beste Performance
  • Desmond und Smitty im Schützengraben
  • “Help me get one more.”
  • Nebendarsteller Hugo Weaving, Vince Vaughn, Luke Bracey und Sam Worthington

Worum es geht

Der Film basiert auf dem Leben von Desmond T. Doss vor und während des zweiten Weltkriegs. Schlüsselerlebnisse in dessen Kindheit und Jugend in Virginia führen dazu, dass der religiöse Desmond (Andrew Garfield) jeglicher Gewalt abschwört. Als der zweite Weltkrieg die USA erreicht, schließt er sich dennoch wie auch sein Bruder der Armee an, um als Sanitäter zu dienen. Seine Verweigerungen, Waffen zu benutzen, bringen ihm immer wieder Ärger ein. In der grausamen Schlacht um Okinawa rettet Desmond vielen seiner Kameraden das Leben und wird zum Helden.

Simons Kritik

Mel Gibson sitzt das erste Mal seit zehn Jahren im Regiestuhl und präsentiert uns einen Film, der den größtmöglichen Kontrast menschlichen Verhaltens zu seinem Hauptthema macht. Auf der einen Seite des Extrems lernen wir Desmond Doss kennen, einen jungen Amerikaner, der keine Gewalt anwendet, Waffen nicht einmal anfasst. Seine Entscheidung basiert auf seinen Erfahrungen und seinem tiefen Glauben. Auf der anderen Seite erleben die Protagonisten die Hölle auf Erden, den zweiten Weltkrieg in Japan 1945. Die Zuschauer erleben Gewalt in all ihren Facetten. Menschen werden erschossen, erstochen, zerbombt. Nachts kommen dicke Ratten aus ihren Löchern und laben sich an menschlichen Überresten. Schafft Hacksaw Ridge diesen Spagat?

Andrew Garfield gibt eine der besten Performances seiner Karriere. Er spielt Doss zurückhaltend, unbeholfen und in sozialen Situationen oftmals etwas sonderbar, aber gleichzeitig zielstrebig und entschlossen. Bevor er sich entscheidet, in die Armee einzutreten, lernen wir ihn und seine Familie in seiner Heimat Lynchburg kennen. Gibson erforscht verschiedene Aspekte in Desmonds Leben und Charakter, die für den Fortlauf der Handlung wichtige Rollen spielen. So lernt er seine zukünftige Frau Dorothy (Teresa Palmer) kennen, was gleichzeitig den Beginn seines Interesses für Medizin markiert. Was die Romantik anging befürchtete ich kurz, dass wir hier ein zweites Pearl Harbor (2001) erleben. Diese Sorge erwies sich als unbegründet. Palmer spielt eine sehr aufgeweckte, starke Dorothy, die Desmond stützt und motiviert.

Der Aufbau der Handlung folgt einem klaren Plan. Nach der Einführung zuhause erleben wir Desmonds Ausbildung zum Soldaten, in der er aufgrund seiner Verweigerungen immer und immer wieder in Probleme gerät. Seine Gegenspieler aus der Truppe werden vorgestellt. Unter anderem lernen wir Sergeant Howell (Vince Vaughn), Captain Glover (Sam Worthington) und Smitty Riker (Luke Bracey) kennen. Alle drei Männer sind wunderbar in ihren Rollen. Getoppt wird der Begleitcast nur vom exzellenten Hugo Weaving als Desmonds Vater Tom, ein Kriegsveteran mit seiner eigenen Geschichte… Mel Gibson lockert diesen zweiten Teil mit einer Prise Humor auf. Das war wichtig, um Desmonds Peiniger nicht vollständig zu dämonisieren. Desmond ist vielmehr ein Sonderling an einem Ort, der sich normalerweise durch Uniformität auszeichnet.

Während Desmonds Ideologie zuhause unterstützt wird, wird sie in diesem zweiten Teil des Films herausgefordert. Mel Gibson inszeniert einen Kampf um Desmonds Prinzipien. Sein Charakter wird gefestigt, und er ist reif für die Heldentaten während des dritten Teils – während des Krieges in Japan.

Im Gegensatz zu Saving Private Ryan (1998) bekommen wir die brutalen, realistischen Kriegsszenen erst in der zweiten Hälfte des Films zu sehen. Ich kann nur mit dem Kopf schütteln, wenn ich lese, dass einige den Film gewaltverherrlichend empfinden. Diese rohe Gewalt hat rein gar nichts ruhmvolles. Wir sehen die blanke Angst in den Gesichtern der Soldaten. Wir fürchten mit ihnen um ihr Leben. Wir erfahren die Unberechenbarkeit des Krieges.

Während der Gefechte entwickelt sich eine Kameradschaft zwischen Desmond und einem seiner früheren Peiniger. Die Szenen im Schützengraben sind einfühlsam und ehrlich und stehen wie Desmond selbst im Kontrast zu der bedrohlichen, unwirklichen Umgebung. “Help me get one more.” Dieser Satz hat sich mir eingebrannt. So wie es sein sollte ist die Heldentat Desmonds der emotionale Höhepunkt des Films. Kein Wunder also, dass es Mel Gibson anschließend etwas eilig hatte, den Film zu einem Abschluss zu bringen. Dem allerletzten Kapitel der Geschichte hätte ich etwas mehr Zeit gegönnt.

Der Film zeichnet sich durch ein insgesamt gutes Tempo und eine geradlinige, unkomplizierte Struktur (Heimat, Ausbildung, Krieg) aus. Die Szenen bauen aufeinander auf und es bleiben wenige Fragen offen. Langweilig ist der Film trotzdem nie, die Spannung wird gehalten.

Passt das Bild zusammen? Funktioniert der Spagat zwischen den zwei Extremen “Brutalität” und “Pazifismus” in Hacksaw Ridge? Dafür braucht es einen glaubwürdigen, gefestigten Protagonisten, und den haben wir dank Hauptdarsteller, Regie und Drehbuch (geschrieben von Andrew Knight und Robert Schenkkan). Desmonds Religiösität steht für mich nicht so sehr im Vordergrund wie manch einer kritisieren mag. Sie ist Teil seines Charakters, nicht alleiniger Ursprung seines Handelns. Vielmehr geht es um das Bewahren von Prinzipien und das Gute, das wir Menschen in uns tragen.

Ich habe das Kino innerlich aufgewühlt, aber hoffnungsvoll verlassen. Gemessen an den grausamen Bildern will das schon etwas heißen. Hacksaw Ridge ist einer der besten Kriegsfilme der letzten Jahre.

6 von 7 Falken

Simon

Redakteur Moviefalcon.de, Film-, Kino-, Oscarenthusiast! Wenn nicht gerade unterwegs in einer weit entfernten Galaxis, dann sicherlich mit Mad Max auf der Fury Road oder zu Besuch im Grand Budapest Hotel.

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