Simon schaut “Jackie” (2016)

Portrait der schwersten Tage einer der einflussreichsten First-Ladys in der Geschichte der USA. Natalie Portmans Oscar-würdige Performance fesselt uns an eine Montage von Gedanken und Ausdrücken und rettet damit einen Film, der mit wenig Handlung aufwartet und im Allgemeinen eher unzugänglich erscheint.

Simons Highlights

  • Natalie Portman als Jacqueline “Jackie” Kennedy
  • Musik von Mica Levi

Worum es geht

Die Ermordung ihres Ehemannes ist gut eine Woche her. Jaqueline “Jackie” Kennedy (Natalie Portman) empfängt einen Journalisten (Billy Crudup), um die Berichterstattung über ihren verstorbenen Ehemann John F. Kennedy, 35. Präsident der USA, zu beeinflussen. Sie erzählt von ihrer Zeit im Weißen Haus, beschreibt das Attentat und das Begräbnis. John F. Kennedy war nur zwei Jahre im Amt, von 1961 bis 1963.

Simons Kritik

Der Journalist steht vor der Tür. Jackie zündet sich die nächste Zigarette an. Sie raucht nicht, gibt sie zu Protokoll. Sie möchte prägen, wie über sie und ihren verstorbenen Ehemann gedacht wird. Sie hat Angst davor, dass sie und die viel zu kurze Präsidentschaft ihres Mannes in Vergessenheit geraten könnte. Natalie Portman ist der Star dieses etwas anderen Biopics, das sich fast ausschließlich um Jackies Erlebnisse während und kurz nach der Ermordung ihres Mannes dreht. Der Film behandelt vielleicht den entscheidenden Moment in Jackie Kennedys Leben.

Natalie Portman beweist einmal mehr, was für eine hervorragende Schauspielerin sie ist. Hinter ihrer Jackie ist sie nicht wieder zu erkennen. Die First-Lady ist von ihrem Verlust schwer gezeichnet, realisiert jedoch schnell, dass sie wenig Schwäche zeigen darf. Sie muss eine Bühne schaffen, um das Bild, das die Öffentlichkeit von ihrer Zeit im Weißen Haus und dem Attentat zeichnet, zu beeinflussen.

In jeder Sekunde lässt uns Portman den Zwiespalt aus Überraschung und Trauer spüren, der Jackies Welt aus den Angeln hebt. Eigentlich hat Jackie keine Zeit, um zu trauern, denn sie muss um ihren Platz in der Geschichte kämpfen. Besonders deutlich wird das am Umgang mit ihren Kindern.

Portmans Jackie ist keine besonders sympathische Person. Sie ist sehr bestimmt, distanziert sich von den meisten ihrer Mitmenschen und tritt in bestimmten Situationen impulsiv, vielleicht sogar ein kleines bisschen unberechenbar auf. Sie ist keine Figur, mit der man sich einfach identifiziert, unabhängig davon, dass ihre gesellschaftliche Position an sich bereits Distanz schafft. Dennoch gelingt es Portman uns an die Leinwand zu fesseln. Sie ist einfach zu interessant.

Das ist ein Segen für einen Film, der ohne Portman wie ein Kartenhaus zusammenfallen würde. Wir erleben die Geschehnisse in Rückblenden, die jedoch keineswegs chronologisch angeordnet sind. Vielmehr begleiten wir Jackies Gedankengang, in dem sie mal vorwärts, mal etwas zurück springt. Das Gespräch mit dem Journalisten ist unser Aufhänger. Man braucht eine Weile, um sich an diese Erzählweise zu gewöhnen. Gerade zu Beginn ist das wenig zufriedenstellend, weil bestimmte Handlungselemente ausgelassen werden, um sie erst im Laufe des Films aufzuarbeiten. Manche Szenen besuchen wir wieder und wieder. Aus erzählerischer Perspektive ist es eine spannende Idee: Wenn wir mit einer uns fremden Person ins Gespräch kommen, dann bleiben auch wir zunächst oberflächlich, bevor wir uns – wenn überhaupt – unseren Dämonen stellen. So wird uns verdeutlicht, dass wir Jackies Gedanken und Erzählungen im Moment des Austauschs mit dem Journalist folgen. Wir sind ganz nah an der First-Lady, und Portman ist oft auf sich allein gestellt, um die allgemeine Handlungsarmut des Films zu überspielen.

Jackie ist eher eine Interpretation, ein mögliches Porträt von Jackies Innenleben, und weniger eine Dokumentation der Geschehnisse. Für Filmliebhaber und in Filmschulen mag die Art und Weise, wie der Film Jackies Psyche erforscht, interessant sein. Außerhalb dieses Nischenpublikums gibt Jackie jedoch wenig her.

Gegen Ende wird uns von Regisseur Pablo Larraín eine Montage geboten, die mich überzeugen konnte. Ihre Stimmung enthält Elemente aus Horror und Thriller, gestützt von einprägsamen Kameraperspektiven und Mica Levis starkem Score. Hier zeigt sich das Potential der Geschichte. In diesem Stil hätte ich gerne mehr gesehen. Mica Levis Musik spiegelt die Tragik der Situation, von der die First-Lady wie aus dem Nichts getroffen wird.

Natalie Portman lässt uns eine interessante, ungewöhnliche Figur begleiten, die mit ihrer Macht, ihrem Status, ihrem Verlust und ihrer Trauer ringt. Wenn man das Kino verlässt, sollte man sich erinnern, bloß eine Interpretation der ikonischen Figur gesehen zu haben. Trotz seiner kurzen Laufzeit hat der Film Längen und reißt selten mit. Die Einbindung von Original-Footage ist eine schöne Idee, bereichert den Film aber nicht wirklich. Als Fan von Natalie Portman oder außergewöhnlichen Biopics lohnt sich ein Kinobesuch.

Am Ende könnte man sich fragen, ob Jackie aus heutiger Sicht mit ihren Bemühungen erfolgreich war. Wenn man auf der Straße wahllos Menschen nach US Präsidenten fragt, ist Kennedy vermutlich unter den erstgenannten Namen. Er hat seinen festen Platz im kollektiven Gedächtnis, obwohl er nur zwei Jahre im Amt war. Es ist jedoch eine andere Frage, wie viel das mit seinen Errungenschaften als Präsident, seiner Gattin Jackie Kennedy oder der tragischen Tatsache, dass er ermordet wurde, zusammenhängt.

4.5 von 7 Falken

Simon

Redakteur Moviefalcon.de, Film-, Kino-, Oscarenthusiast! Wenn nicht gerade unterwegs in einer weit entfernten Galaxis, dann sicherlich mit Mad Max auf der Fury Road oder zu Besuch im Grand Budapest Hotel.

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