Dieser Artikel ist der zwölfte und vorerst letzte Teil von Simons GoT-Tagebuch. In diesem Eintrag schreibt er über Folgen 6 bis 10 der sechsten Staffel. Hier gelangst Du zurück zum einleitenden Prolog und weiteren seiner Tagebucheinträge.
Was für eine Staffel! Selten wurden wir mit so vielen epischen Szenen verwöhnt. Gleichzeitig bewundere ich persönlich den Mut zur künstlerischen Freiheit in den letzten zwei Folgen der Staffel, die sich vom Stil stark von allem abgrenzen, was wir bisher in Game of Thrones sehen durften. Dazu später mehr. Leider ist Staffel 6 für mich auch die Staffel, deren Folgen qualitativ am weitesten auseinanderdriften. Ich beginne chronologisch…
In Eintrag 11 habe ich geschrieben, dass die erste Hälfte von Staffel 6 eine der stärksten Halbzeiten der Seriengeschichte ist, und dazu stehe ich weiterhin. Leider konnten Folgen 6, 7 und auch 8 da nicht mithalten. Folge 7 langweilte mich wie selten eine Folge zuvor. Und Folge 8 wartete mit unglücklichen Logiklöchern auf, die man sich zwar schönreden kann, aber für mich dadurch nicht verschwinden.
Ich bin nicht zufrieden!
Die Geschichte rund um Sam und Gilly langweilte mich. Es war so offensichtlich, dass es zum Konflikt am Esstisch kommt. Immerhin hat Sam nun ein Schwert. Die Läuterung von Sandor Clegane war ein Plot Device erster Güte, um ihn irgendwie glaubwürdig auf Spur zu bringen. Für mich war das sehr konstruiert. Unabhängig davon war ich etwas enttäuscht, ihn wiederzusehen. Versteht mich nicht falsch: Ich mochte seine Figur. Aber besonders mochte ich sein Ende, um ganz ehrlich zu sein. Ich finde es spannend, wenn ein paar Enden offen bleiben. Nun gut, es wird schon einen Grund für seine Rückkehr geben. Vielleicht ist hier etwas Geduld gefragt.
Brans Onkel Benjen taucht auf und rettet seinen Neffen vor den Untoten. Was ich an der Szene gut finde: Die Untoten verfolgen die zwei Jugendlichen weiter, nachdem sie Hodor (schluchz) überwunden haben. Es wäre unrealistisch gewesen, hätten sie einfach von den beiden abgelassen. Leider hatte ich mir von Benjens Rückkehr etwas mehr erwartet. Kurz und knapp wird seine Geschichte ausgerollt. Am Ende lässt er seinem gehbehinderten Neffen nicht einmal sein Pferd!
Eine sehr lustige Szene, die besonders im Internet gefeiert wurde, rettet den Abschnitt der Staffel. Jon, Sansa und Ser Davos rekrutieren Männer für die Schlacht um Winterfell und treffen auf die junge Lady Mormont (Elizabeth Barrett) – mit Haaren auf den Zähnen. Was für eine Heldin! Auch in der finalen Folge 10 bekommt sie starke Zeilen und wird zur Inkarnation des stoischen, loyalen Nordens.
Kampf verweigert!
In King’s Landing geht die Rettung der Tyrells aus den Fängen des High Sparrows schief, weil Margaery einen eigenen Plan hat. Sie überzeugt Tommen, Krone und Glaube zu vereinen, und so kommt es nicht zur Schlacht zwischen den Tyrell-Soldaten und Jaime auf der einen und den ätzenden Fanatikern auf der anderen Seite. Margaery schickt ihre Großmutter in Sicherheit, im Nachhinein das Beste, was sie tun konnte… Ich sollte erwähnen, dass dieser nicht stattfindende Kampf Teil einer ganzen Serie von Kämpfen ist, die uns in den meiner Meinung nach unterdurchschnittlichen Folgen 6 bis 8 verweigert werden.
Aryas Geschichte in Braavos hatte bei mir schon immer einen schweren Stand. Nun rettet sie eine Schauspielerin und wird dafür von dem Mädchen ohne Namen verfolgt – und abgestochen. Sie schleppt sich zu eben jener Schauspielerin, die ihr hilft. Dann taucht Jaqens Schülerin erneut auf. Trotz Bauchwunde und enormem Blutverlust setzt Arya zur Flucht an, bei der sie sich theoretisch alle Knochen hätte brechen müssen. Das Finale zwischen den beiden wird uns leider wieder nicht gezeigt. Gut, das mit der Kerze war schon cool. Aber den Kampf im Dunklen hätte man spannend inszenieren können! Nicht einfach – Schnitt! – und weiter!
Der Tiefpunkt ist leider noch nicht erreicht. Wir befinden uns in Riverrun, das von Blackfish eingenommen wurde. Jaime und die Lannister-Soldaten sollen den Freys helfen, Blackfish Tully zu vertreiben. Es kommt zu einem coolen Austausch zwischen Jaime und Brienne. Müssen die zwei irgendwann gegeneinander kämpfen? Bitte nicht! Alles andere, was in Riverrun passiert, gefällt mir gar nicht. Zunächst ist allen Beteiligten das Schicksal von Edmure Tully egal, alle gehorchen Blackfish. Und hey, sie haben die Burg eingenommen! Warum, verdammt nochmal, geben sie die am Ende ohne mit der Wimper zu zucken und gegen den Willen von Blackfish auf? Sie wenden sich ohne offensichtlichen Grund gegen Blackfish, der sie zur Eroberung geführt hat, und obwohl sich Edmure in Sicherheit hinter den Mauern befindet! Die Geschichte mit seinen Kindern, die er nicht kennt, ist eine verdammt dünne Rechtfertigung. Bescheuert. Ach, und den Kampf, bei dem Blackfish stirbt, sieht man natürlich auch wieder nicht.
Starke Frauen und The Battle of the Bastards
So, genug gemeckert! Folgen 9 und 10 sind auf Niveau der ersten fünf Folgen der Staffel – sogar noch besser. Folge 9, The Battle of the Bastards, zeigt uns endlich den Kampf, der sich seit Folgen andeutet: Jon Snow gegen Ramsay Bolton. Unerwartet steigt die Folge jedoch zunächst in Meeren ein. Daenerys hat alles unter Kontrolle und schickt ihre Drachen gegen eines der angreifenden Schiffe und ihre Dothraki gegen die Harpyien. Die Einstellungen mit den Drachen, der Austausch zwischen den zwei verhandelnden Parteien, einfach episch! Man bekommt nicht genug von Daenerys. Mein persönliches Highlight war jedoch die Szene zwischen Daenerys und Yara Graufreud. Genial. Entgegen der Erwartungen reißen die Frauen in Game of Thrones die Folge an sich. Und Yara hat eindeutig mit Daenerys geflirtet!
Nun zu Winterfell. Die Handlung war zwar unterm Strich recht vorhersehbar, doch man kann sich ja nie sicher sein. Es sieht zunächst gar nicht gut aus. Rickon ist ein Bauernopfer – in typischer GoT-Manier erwischt es die Unschuldigste aller Figuren. Es überleben nicht viele aus Jons Streitmacht, und ohne Petyr Bealish wäre es das wohl gewesen. Auch der Riese hat seinen letzten großen Auftritt.
Sansa, eine der einflussreichen GoT-Frauen, ist stärker als ihr Halbbruder. Sie ahnt den Tod von Rickon voraus und rationalisiert ihn für sich. Jon schafft das nicht, und die Falle von Ramsay klappt zu.
Cineastisch ist Battle of the Bastards eine der beeindruckendsten Folgen bis dato. Sie zeigt die erste richtige, riesige, epische Bodenschlacht im Stil eines realistischen Kriegsfilms. Atemberaubende Schnitttechnik und Kamera sind mehr als spielfilmwürdig. Die Einstellung von Jon vor der feindlichen Linie, die aufeinanderprallenden Pferde, die Verfolgung von Jon im Schlachtgetümmel… Unglaublich gut. Und grausam.
Aber auch andere Einstellungen der Folge ragen heraus, zum Beispiel Davos vor der untergehenden Sonne oder Sansa hinter den Gitterstäben mit leichtem Schneefall. So viel künstlerische Schönheit in einer so grausamen Folge! Hier muss Regisseur Miguel Sapochnik hervorgehoben werden. Diesen Namen sollten wir uns merken.
Cersei und Shakespeare
Kann Folge 10 da mithalten? Und wie sie das kann. Die Sequenz in King’s Landing sticht durch ihre dramatische und unübliche Umsetzung heraus. Zunächst werden die Akteure eingeführt und gezeigt, wie sie sich für die Episode herrichten – für viele ist es das letzte Mal. Die musikalische Untermalung ist untypisch und experimentell. Zwischendurch fühlte ich mich wie ein Zuschauer in einer klassischen Oper oder einem Shakespeare-Stück. Wir ahnen schnell, was passieren wird, gab es doch die eine oder andere Andeutungen auf das Seefeuer und die Pläne des Mad Kings im Laufe der Staffel. Und doch gelingt es, eine nahezu unaushaltbare Spannung aufzubauen! Nun herrscht eine Mad Queen. Wir verlieren nicht nur Margaery, die ich sehr mochte, sondern letztendlich auch Tommen. Das kam für mich sehr überraschend, aber es passt… Und ist tragisch. Cersei, was hast du bloß getan. Der erste Selbstmord in Game of Thrones? Was für ein Finale für King’s Landing in Staffel 6.
Auch die anderen Handlungsstränge werden geschickt gebündelt. Wir haben nun eine breite Allianz an der Seite von Daenerys. Neben den Graufreuds sind auch die Martells und Olenna Tyrell dabei. Tyrion ist offiziell die Hand der Königin, was für ein schöner Moment. Ich hatte eine Träne im Auge. Endlich wissen wir auch, wer Jons Eltern sind. Wann erfährt er von seiner Herkunft, und was bedeutet sie für seine Beziehung zu Daenerys? Die Anzahl der Unruhestifter in Westeros wird übersichtlich. Aryas Liste leert sich, Walder Frey hat es (endlich!) erwischt. Was passiert mit Cersei und Jaime, was mit Petyr Bealish? Vielleicht wartet ein kurzer Besuch von Arya auf die Mad Queen. Werden sich auch die Starks Daenerys anschließen? Was für eine Rolle spielt Bran? Fragen über Fragen, Antworten gibt es 2017.
Meine Lieblinge
Ich fasse mich kurz. Auf Platz 1 setze ich Daenerys (Emilia Clarke). Sie kommt ihrem Ziel näher und näher und hat mit Hilfe von Tyrion, Varys und all den anderen eine Allianz geschmiedet, der sich wenig entgegensetzen kann. Sechs Staffeln warteten wir auf diesen Moment: Sie sticht Richtung Westeros in See! Ich nehme Sansa (Sophie Turner) als meinen Platz 2 auf, und Jon (Kit Harington) auf Platz 3. Sansa hat Baelish abgewiesen und geht nun ihren eigenen Weg. Ihre Entwicklung über sechs Staffeln ist unglaublich – unglaublich glaubwürdig. Game of Thrones hat sich die nötige Zeit genommen. Jon als neuer König des Nordens ist ein No-Brainer!
Meine Abschussliste
Hier ist eigentlich nur Platz für einen Namen. Cersei Lannister (Lena Headey) hat mit dem Tod ihres letzten Kindes nun alles verloren, was ihr ein wenig Menschlichkeit verlieh. Zwar trägt sie jetzt eine Krone, doch eigentlich hat sie nichts mehr. Wird vielleicht sogar Jaime sie umbringen (müssen)? Er hat den Mad King getötet, um das zu verhindern, was Cersei getan hat. Auf Platz zwei setze ich Petyr Baelish (Aiden Gillen), der den Starks unter Umständen noch gefährlich werden könnte. Und Platz drei geht an die immerwährende Bedrohung aus dem Norden, an den Nachtkönig.
Gesamtfazit
Wenn ich diese Staffel erneut schaue, dann überspringe ich einfach drei bestimmte Folgen und genieße 1 bis 5, 9 und 10! Geht es besser? Ich glaube nicht! Ein ganzes Jahr warten, wie hält man das nur aus? Eine ganz neue Erfahrung für mich… Ich hoffe, mein GoT-Tagebuch hat Dir gefallen und Dich an die Zeit erinnert, als Du die entsprechenden Folgen das erste Mal gesehen hast. Kannst auch Du es kaum erwarten, bis es weitergeht?
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