Simon schaut “Snowpiercer” (2013)

Eine Dystopie, in der sich der Rest der Menschheit wenige Zugabteile teilt, weil die Erde erfroren ist. Lange Dialogpassagen bremsen die Handlung. Der Film schwankt unentschieden zwischen Realismus und Übertreibung.

Simons Highlights

  • das Szenenbild
  • Tilda Swinton als Mason
  • das Gefühl der Enge, der Unausweichlichkeit im Zug

Worum es geht

Die Menschheit hat die Erde eingefroren. Im Jahr 2014 wird die Chemikalie CW-7 in der Atmosphäre versprüht. So erhofft man sich, die globale Erwärmung zu stoppen. Die Konsequenz ist eine Eiszeit, die fast niemand überlebt. In einem Luxuszug, der für extreme Temperaturen konstruiert wurde, befinden sich die Reste der Menschheit. Ein Klassensystem bestimmt ihr Zusammenleben: Die Spitze des Zugs herrscht mit grausamen Mitteln. Siebzehn Jahre später planen Curtis (Chris Evans) und sein Mentor Gilliam (John Hurt) die Revolution des Zugendes gegen die „Maschine“, die sich unter der Kontrolle von Wilford (Ed Harris) und seinen Schergen befindet.

Simons Kritik

Die Zusammenfassung liest sich wie der bekannte Plot einer Revolutionsgeschichte: Es gibt die Unterschicht, der es dreckig geht, und die von der Oberschicht ausgebeutet und unterdrückt wird. In Snowpiercer gibt das Szenario zusätzlich vor, dass wir es hier mit den letzten Menschen überhaupt zu tun haben. Zweifelsohne soll dies der Handlung zusätzliche Dramatik verleihen.

Regisseur Bong Joon-ho stellt uns die wichtigen Figuren der Unterdrückten vor, Curtis, Gilliam, Tanya (Octavia Spencer) und ihren jungen Sohn. Sie leben von widerlichen Proteinblöcken, zusammengepfercht zwischen Dreck und Müll. Regie, Kamera und Ausstattung arbeiten mit der Enge des Zugs. Man ist immer nah an den Charakteren – weil man es sein muss. Es gibt kein Entkommen aus dieser grausamen Version der Arche. Ein Mikrokosmos, wie ein Raumschiff im All.

Leider nimmt man Chris Evans seinen Helden nicht vollständig ab: Er ist glatt geraten, vergleichbar mit seinem Captain America. Und auch Octavia Spencer hat nur eine wirklich überzeugende Szene. Das Problem zieht sich durch den ganzen Film: Man ist sich nie ganz sicher, was er sein möchte: Übertrieben und grotesk oder realistisch und bedrückend? Tilda Swinton spielt Mason, eine Ministerin oder Aufseherin, zumindest aber ein hohes Tier im vorderen Teil des Zuges. Sie spielt den Charakter, an den man sich im Nachhinein wohl am ehesten erinnert. Wie immer geht sie in dieser völlig überzeichneten Rolle auf. Nur spielt sie damit konsequent gegen den Realismus der anderen Figuren. Sicher war das gewollt, doch für mich ging das Konzept nicht auf. Es wirkt unentschlossen und inkonsistent.

Ebenfalls nicht rund empfinde ich die langen Handlungspausen und Dialogszenen: als hätten die Autoren das Gefühl gehabt, man müsste alles erklären – selbst das Ende, in aller Ausführlichkeit. Das nimmt Tempo und Faszination. Selbst der Plottwist am Ende hat mich nicht mehr wirklich überrascht, so sehr wurde ich durch die Dialoge aus der Handlung geschmissen. Es ist eine seltsame Mischung. Die übertriebene Brutalität mancher Szenen wird durch Schattenspiele und Pausen gebremst, die zwar gut aussehen und die Unausweichlichkeit (verdammt, es ist ein Zug!) betonen, deren Timing mich aber unzufrieden zurückgelassen hat.

Insgesamt ist Snowpiercer sicher ein Science-Fiction/Action Film, wie man ihn selten zu sehen bekommt. Die Idee ist faszinierend, die grausame Umsetzung schockiert. Die Ausstattung ist spannend. Snowpiercer ist eine Comicverfilmung der anderen Art – für mich unentschlossen zwischen dem Anspruch, uns eine moralische Botschaft, die Wahrheit über die Menschheit zu vermitteln, und gleichzeitig Tarantinos künstlerische Gewaltdarstellung in den Schatten zu stellen. Für mich funktioniert der Film nicht. Die größten Probleme: Timing und Drehbuch.

2.5 von 7 Falken

Simon

Redakteur Moviefalcon.de, Film-, Kino-, Oscarenthusiast! Wenn nicht gerade unterwegs in einer weit entfernten Galaxis, dann sicherlich mit Mad Max auf der Fury Road oder zu Besuch im Grand Budapest Hotel.

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