Simon schaut “Get Out” (2017)

Horrorfilme bei den Oscars? Das ist selten der Fall! Normalerweise mache ich einen großen Bogen um das Genre, aber an Jordan Peeles Get Out führte kein Weg vorbei. Gut so! Der Film überschreitet die Grenzen seines Genres, ist gleichzeitig Horrorfilm, Mysterythriller, schwarze Komödie und Gesellschaftssatire. Get Out hat mich begeistert. Der Film trifft den Zeitgeist und bringt alles mit, um ein Klassiker zu werden.

***Achtung, Spoilerwarnung! Der Trailer gibt zu viele Hinweise auf Handlung und Twists!***

Simons Highlights

  • Daniel Kaluuya als Chris Washington, Allison Williams als Rose Armitage, Catherine Keener als Missy Armitage und Bradley Whitford als Dean Armitage
  • die Gartenparty
  • das Finale… mehr wird nicht verraten!

Worum es geht

Chris Washington (Daniel Kaluuya) ist Fotograf in New York und seit einigen Monaten mit Rose (Allison Williams) zusammen. Rose möchte, dass Chris ihre Eltern kennenlernt. Er fragt sie, ob ihre Eltern wissen, dass er schwarz ist, denn Rose selbst ist weiß. Sie gesteht ihm, ihren Eltern noch nichts gesagt zu haben, betont aber, dass ihre Familie nicht rassistisch sei. Gemeinsam machen Sie sich auf den Weg zum abgelegenen Anwesen der Armitages. Chris Sorge scheint unbegründet, denn er wird ausgesprochen freundlich begrüßt. Vater Dean (Bradley Whitford), Neurochirurg, bekräftigt, er hätte Obama noch ein drittes Mal gewählt, wenn er denn gedurft hätte. Mutter Missy (Catherine Keener), Psychiaterin, bietet Chris an, ihm das Rauchen durch Hypnose abzugewöhnen. Doch irgendetwas stimmt nicht mit Hausmädchen Georgina (Betty Gabriel) und Gärtner Walter (Marcus Henderson)…

Simons Kritik

Gute Filme arbeiten und spielen mit unseren Emotionen. Momente der Trauer, Freude, Angst, des Ekels und der Überraschung erleben wir in vielen verschiedenen Genres. Eine Gattung Film nutzt vorrangig Angst, um uns an die Leinwand zu binden und uns emotional in die Protagonist*innen hineinzuversetzen: Horror. Regisseur Jordan Peele nutzt Horrorelemente für sein Spielfilmdebüt Get Out, damit wir sprichwörtlich in die Haut der Hauptfigur Chris Washington schlüpfen können. Chris, verkörpert von Daniel Kaluuya, ist schwarzer Amerikaner. Peele gibt aufmerksamen Zuschauer*innen so die Möglichkeit, den Rassismus, dem Chris ausgesetzt wird, am eigenen Körper zu fühlen.

Meine Lieblingsfilme kommen aus fast allen Genres, aber um Horror habe ich bisher einen großen Bogen gemacht. Im Laufe des vergangenen Jahres habe ich bereits viel über Get Out gehört – auch, dass Peeles Film Genregrenzen überwindet. Spätestens mit der Bekanntgabe der Oscar-Nominierungen war mein Schicksal besiegelt: Get Out schaffte es auf meine Liste von Filmen, die dringend bis zur Oscar-Verleihung Anfang März gesichtet werden mussten. Es kostete mich trotzdem etwas Überwindung. Sicherheitshalber schob ich Get Out sonntagnachmittags in den Blu-ray Player. Keine zwanzig Minuten später war ich völlig gebannt und voller Sorge um Chris Schicksal.

Die Prämisse klingt für Horrorfans vermutlich zunächst fast konservativ: Der Protagonist besucht ein abgelegenes Haus, in dem einige Bewohner nichts Gutes im Sinn haben. Durch den Genre-Mix aus Horror, Psycho, Mystery, Thriller und schwarzer Komödie mit gesellschaftspolitischem Unterbau schafft Jordan Peele, der auch das Drehbuch geschrieben hat, etwas Einzigartiges. Get Out unterhält beängstigend gut, beleuchtet gleichzeitig die aktuelle Situation der Schwarzen in den USA und trifft damit den Zeitgeist wie vielleicht kein anderer Film des vergangenen Jahres.

Die Amerikaner haben Obama zu ihrem Präsidenten gewählt, da kann man doch nicht mehr über Rassismus sprechen! Oder doch? Nicht zuletzt die gehäuften Vorkommnisse von Polizeigewalt gegen Schwarze in den vergangenen Monaten zeigen, dass Amerika weiterhin ein riesiges Rassismus-Problem hat. Im Zentrum von Get Out geht es um versteckten Rassismus, von manchen als Post-Rassismus bezeichnet, die fortwährende Anders-Behandlung von Schwarzen aufgrund oberflächlicher Merkmale, auch durch die liberale Elite. Schwarz ist in Mode; Es ist cool, schwarz zu sein, schwarze Freund*innen zu haben, schwarze Körper zur Schau zu stellen. Schwarze werden zu Objekten. Am Rande der Haupthandlung klingen auch die Spannungen zwischen Schwarzen und Polizei an, außerdem wird das “klassischere” Rassismus-Thema Versklavung auf mysteriös-innovative Art und Weise aufbereitet.

Angst ist das verbindene Mittel, der Klebstoff, der uns an Chris Schicksal bindet. Peele spielt mit dem Risiko, dass man dem Hauptcharakter die Motivation nicht abkauft, mit der er trotz bestimmter Vorkomnisse das Haus nicht verlässt. Mit Hauptdarsteller Daniel Kaluuya hat Peele einen Glücksgriff gelandet. Kaluuya spielt einen ganz normalen Großstadttyp, der bestimmte Dinge bei den Armitages seltsam findet und bemerkt, aber nicht augenblicklich vom Schlimmsten ausgeht. Der Film beruht im Wesentlichen darauf, dass glaubhaft dargestellt wird, dass es für Chris keinen Grund gibt, das Haus früher zu verlassen, als er es im Film tatsächlich versucht. Kaluuya spielt sehr natürlich, sehr subtil. Sein Chris versucht sich wenig anmerken zu lassen, wenn die Gäste auf der Gartenparty ihm zu nahe treten und ihn auf sein Äußeres, seine Statur und seine Hautfarbe reduzieren und ihn mit all dem gleichsetzen, was sie mit “den Schwarzen” verbinden. Besonders hervorzuheben sind neben Kaluuya Catherine Keener und Allison Williams. Williams spielt Rose, die weiße Freundin von Chris, und wirkt in allem, was sie tut, absolut authentisch. Keener spielt die eher ruhige Rolle der Mutter, die eine sehr wichtige Funktion in der Handlung einnimmt und mit der man die bereits ikonische Teetasse verbindet.

Get Out ist hervorragend geschnitten – was zugegebenermaßen für einen sehr guten Horrorfilm von enormer Wichtigkeit ist. Viele Szenen des Films bleiben lange im Gedächtnis. Herausheben möchte ich die Gartenparty mit ihrer ganz seltsamen Atmosphäre. Den Zuschauer*innen wird in der eigenen Haut unwohl, wenn Chris von verschiedenen Gästen auf plumpe Art und Weise auf seine Andersartigkeit reduziert wird. Gleichzeitig stellt die Szene die Basis für den wirklich abgedrehten dritten Akt.

Jordan Peele hat mit Get Out einen modernen Klassiker geschaffen, der das Thema Rassismus auf neue, unverbrauchte Art und Weise behandelt. Es ist ein wichtiger Film, weil jede*r, egal wie tief sie oder er in die Themen des Films einsteigt, etwas mitnehmen kann. Der Schlüssel dazu liegt in einem hervorragenden Drehbuch und brillianten Performances.

7 von 7 Falken

Simon

Redakteur Moviefalcon.de, Film-, Kino-, Oscarenthusiast! Wenn nicht gerade unterwegs in einer weit entfernten Galaxis, dann sicherlich mit Mad Max auf der Fury Road oder zu Besuch im Grand Budapest Hotel.

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